Die drei Berliner Schauspielerinnen Inga Dietrich, Joanne Gläsel und Sabine Werner beleuchten in ihrer szenischen Lesung ein noch wenig erforschtes Kapitel der NS-Geschichte. Frauen als Täterinnen - juristisch ohne Schuld. Worin genau bestand ihre Täterschaft?
Im Jahr 2001 wurden wir vom Haus
der Wannsee-Konferenz gebeten, eine Lesung zum Thema "Täterinnen im Nationalsozialismus" zu konzipieren. Unsere Arbeitsgemeinschaft, die sich bis dahin mit Opfern des Nationalsozialismus
beschäftigt hatte, nahm den Auftrag interessiert entgegen und begann sogleich mit der Recherche.
Das uns bis dahin vermittelte Bild - die NS-Verbrechen wurden hauptsächlich von Männern begangen und getragen - hob sich schon nach kurzer Zeit auf. Frauen waren vielfätig in die NS-Verbrechen
verstrickt - u.a. als Lageraufseherinnen, Ärztinnen und Krankenschwestern (Euthanasie) oder in der Verwaltung.
Wir entschieden uns aber, ispiriert von der Hamburger Soziologin Gudrun Schwarz, die bis dahin noch kaum wahrgenommenen (Ehe)-Frauen von SS-Verbrechern unter die Lupe zu nehmen.
Wenn man sich fragt, wie ganz normale Männer und liebevolle Väter zu Massenmördern werden konnten, muß man sich auch fragen, wie ganz normale Frauen mit diesen Männern leben konnten?
Während sich die Ehefrauen um Haushalt und Nachwuchs kümmern, organisieren die SS- Männer die Judenvernichtung, arbeiten als KZ-Kommandanten oder als Ärzte, die sich mit der Auslese „unwerten
Lebens“ befassen.
Und die Frauen? Als Sonnenschein am heimischen Herd instrumentalisiert, übernahmen sie ihre Rolle mehr oder weniger freiwillig. Viele lebten während der NS-Zeit am Einsatzort ihrer Männer. Sie
waren durch die täglichen Gespräche und halb-privaten Begegnungen in ihren Häusern über vieles informiert, was die nationalsozialistische Vernichtungspolitik bereits veranlasst hatte, bzw. als
nächstes plante. In ihren Aufzeichnungen beschreiben sie ihren Alltag mit Repräsentationspflichten, Kindererziehung, Haushaltsorganisation; und sie unterstützten ihre Männer bei deren weiterer
Karriereplanung.
Die Lebenswege der einzelnen Frauen, ihre Sicht der Dinge im Nationalsozialismus und nach Kriegsende, sowie die Beschreibung der inneren Struktur der SS bilden die grundlegenden Elemente
„Wir müssen uns darüber klar sein, dass die Bewegung, die Weltanschauung, dann Bestand hat, wenn sie von der Frau
getragen wird, denn Männer erfassen alle Dinge mit dem Verstand, während die Frau alle Dinge mit dem Gefühl erfasst ... Nur wenn es uns gelingt als Sippenorden mit der Frau zusammen in die
Zukunft zu gehen, die Frau mit einzubeziehen in unsere Aufgaben, dann werden wir das erreichen, was wir uns als Ziel gesteckt haben.“
Heinrich Himmler
„Mehr als alles
andere erträumte sich mein Mann damals ein normales Familienleben und ein eigenes Haus. Eines Tages kam er heim und fragte, was ich denn dazu dächte, wenn er hauptamtlich zu den
Totenkopfverbänden ginge. Er sagte mir, es handele sich um eine neue Stelle, die irgendwie mit Militär und Polizei etwas zu tun habe. Wir würden umziehen müssen in eine andere Stadt, und dort
würden wir dann ein eigenes Häuschen kriegen. So kamen wir nach Dachau. Hätte ich nein gesagt, wäre er Schiffer auf der Donau geblieben."
Fanny Fritzsch
„Wir, Reinhard und ich, sind zufrieden. Er ist froh, dass ich alle häuslichen Probleme von ihm
fernhalte. Kommt er abends müde und erschöpft nach Haus, bin ich für ihn da. Den ganzen Tag hat er für andere da zu sein, immer bereit, immer gegenwärtig und immer Entscheidungen, oft sehr
schwere Entscheidungen, zu fällen. Dieses kleine Zuhause genießt er.“
Lina Heydrich
„Ich kann diese Lesung für den Zweck politisch-historischer Bildung und für die Auseinandersetzung mit dem
Nationalsozialismus sehr empfehlen.“
Dr. Norbert Kampe, Leiter des Hauses der Wannsee-Konferenz
Wormser Zeitung:
„... Man sollte meinen, dass 62 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz alles zu diesem Thema gesagt ist. Die Veranstaltung „Die Frau an seiner Seite“, zu der
die Landeszentrale für politische Bildung und der Förderverein Projekt Osthofen anlässlich des Gedenktages am 27. Januar in die Gedenkstätte KZ- Osthofen eingeladen hatte, bewies das Gegenteil.
...“
Ulrike Schäfer
Berchtesgadener
Anzeiger:
„... Die Frauen an der Seite der Täter bleiben ohne
juristische Schuld. Doch durch die Ehe sind sie eingebunden und verstrickt in die Taten der Männer. Sehr eindrücklich brachten Inga Dietrich, Joanne Gläsel und Sabine Werner diesen Aspekt der NS-
Zeit den Zuhörerinnen und Zuhöhrern nahe. Sie lasen nicht nur, sondern belebten durch Gestik und Mimik die Texte, spielten andeutungsweise Situationen und wechselten mit Leichtigkeit die Rollen.
Dadurch entstand eine sehr dichte und beeindruckende szenische Lesung, die einem manchmal den Atem abschnürte angesichts der menschlichen Abgründe, die sich auftaten. ...“
C.G.Merker
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